„Ich wünsche mir, dass Jonas glücklich leben kann“

Daniela Weideli mit ihrer Familie: Der Diabetes ist immer präsent, mal mehr, mal weniger.

Daniela Weideli mit ihrer Familie: Der Diabetes ist immer präsent, mal mehr, mal weniger.

„Es gibt ein Leben vor dem Diabetes und ein Leben mit dem Diabetes.“  Daniela Weideli spricht ruhig, klar und überlegt, als sie nach den Anfängen des Diabetes bei ihrem Sohn Jonas gefragt wird. Das Datum der Diagnose weiss sie auswendig. 4 ½ Jahre ist es jetzt her, dass der damals 3jährige Jonas über 2 Liter pro Tag trank, Portionen wie ein Erwachsener verschlang und trotzdem stetig abnahm.

Als der 3jährige schliesslich schon nach 100 Metern gehen schlapp war, ging die Familie zum Kinderarzt.

„Die erste Zeit war für uns der absolute Horror“, denkt Daniela an die Zeit zurück, als sie Jonas‘ Diabetes mit dem Zweispritzen-Schema behandeln musste: fixe Essenszeiten, fixe Essenmengen. „Wir sind Zeitchaoten,“ erklärt Daniela freimütig, „wir hatten das Gefühl, keine Freiheit mehr zu haben“.

Ziemlich schnell nach der Diagnose suchte  die Familie den Kontakt zu einer Elterngruppe und lernte andere betroffene Familien kennen. Bei einem solchen Treffen sagte eines der Diabeteskinder zu seiner Mutter: „Mama, ich will jetzt einen Nussgipfel“. Eine Zwischenmahlzeit, die mit dem Zweispritzen-Schema ein Ding der Unmöglichkeit ist. Die Mutter gab die entsprechenden Kohlenhydrat-Werte in die Pumpe ein, das Kind konnte den Nussgipfel essen.

„In dem Moment brach für mich eine Welt zusammen“, erinnert sich Daniela, „ich habe nur noch geweint. Und gleichzeitig ging für mich die Sonne auf.“ Dieses Schlüsselerlebnis war ein Wendepunkt für die Familie. „Wir musste ihn vorher zu zweit festhalten und mit Gewalt spritzen“, erklärt Daniela. Ab diesem Moment an war für sie klar: „Ich wusste, dass wir eine Pumpe haben müssen, sonst würde ich nie mehr glücklich werden.“ Jonas selber war zu diesem Zeitpunkt noch viel zu klein, um mit zu entscheiden.

„Ich bin froh, dass wir das gemeinsam machen!“

Sie beschaffte sich Informationen zur Pumpe und setzte bei Jonas Diabetologen durch, dass er eine bekam. Der Alltag wurde wieder freier, unbeschwerter. Trotzdem sagt Daniela bestimmt, das Bewusstsein über den Diabetes sei immer präsent, mal etwas mehr, mal etwas weniger.  „Ich bin dünnhäutiger geworden“, sagt Daniela nachdenklich. „Im Spital wurden wir emotional überhaupt nicht aufgefangen, vielleicht ist das der Grund dafür“, überlegt sie auf die Frage, wie es ihr heute geht. Sie kennt sie, die Frustschübe, fühlt sich manchmal wütend, traurig und machtlos, wenn Jonas um Mitternacht scheinbar grundlos einen viel zu hohen Blutzucker hat.

„Wenn es mir schlecht geht, nehme ich Schüssler-Salze. Oder ich ziehe mich einen Abend lang in ein Zimmer zurück und schaue einfach TV“, sagt sie auf die Frage, was ihr helfe. Das geht, denn Stefan, ihr Mann, kann das Diabetes-Management jederzeit nahtlos übernehmen. „Es gibt mir eine grosse Sicherheit zu wissen, dass ich am Freitagabend einfach gehen und erst am Sonntag wieder zurück kommen könnte“, sagt Daniela. „Ich bin extrem froh, dass wir das gemeinsam machen!“

„Ich bin wütend auf den Diabetes“ (Jonas)

Und wie geht Jonas mit seinem Diabetes um? Er sei eigentlich sehr diszipliniert und messe etwa den Blutzucker schon selber, seit er 3 Jahre alt ist. Aber er sagt auch: „Ich bin wütend auf den blöden Diabetes“, möchte manchmal, dass auch seine kleine Schwester Fiona das hat. Fiona wiederum ist ganz der kleine Profi und fragt auch schon mal „Jonas, darfst du das?“ oder sie erinnert die Mutter daran, dass noch ein neuer Katheter gesetzt werden muss. Und natürlich stinkt es ihr, wenn sie mal warten muss wegen dem Diabetes. „Sie hat auch schon mal das BZ-Gerät geklaut und selber gemessen –  an jedem Finger. Wir haben eine Zeit lang sehr viele Stäbchen verbraucht“, lacht Daniela.

Wenn Daniela sich über die Zukunft Gedanken macht, dann glaubt sie, dass noch eine strenge Zeit auf sie zukommen werde, gerade in der Pubertät. „Ich hoffe, dass Jonas bis dann so gut integriert ist, dass er ein gutes Umfeld hat, dass ihm helfen kann.“ Illusionen macht sie sich keine, sie hat keine Hoffnung, dass es in 10 Jahren eine Heilung geben könnte. „Ich wünsche mir einfach, dass Jonas glücklich und zufrieden leben kann“, sagt Daniela.